Aufbaumodul Jungzüchterprofi

Zucht in bäuerlicher Hand?

Unter dem Titel „Zucht-Spezial“ fand am Samstag, den 24.März 2018, an der Oberösterreichischen Besamungsstation Hohenzell das Aufbaumodul des Jungzüchterprofis statt. 22 TeilnehmerInnen aus allen Landesteilen diskutierten und studierten mit den Vortragenden die Thematik.

Zur Grundlagenfestigung und zur Auffrischung der wichtigsten Fachbegriffe stand Dr. Hermann Schwarzenbacher von der ZuchtData als Referent zur Verfügung. Das Hauptschlagwort an diesem Tag war die Reproduktionstechnik. Zu diesem Thema referierten Mag. Franz Viehböck und Hubert Schrems.

A2-Milch, Hornlosigkeit und genetische Besonderheiten

Das Thema A2-Milch sorgte bei den TeilnehmerInnen für reichlich Diskussionsstoff. Die Problematik dabei ist, dass es bisher keine wissenschaftlich belegten Hinweise und vor allem unabhängige Humanstudien gibt. Diese „spezielle“ Milch wurde bereits in den 1970 Jahren entdeckt und kommt auch bei Schafen und Ziegen vor. Besonders interessant ist, dass Menschen mit Laktoseintoleranz anscheinend diese Milch besser vertragen als „normale“. Wissenschaftlich konnte dies allerdings noch nicht bewiesen werden. Im Hinterkopf sollte immer behalten werden, dass es sich hierbei um einen Ernährungstrend handelt und der Hype durch Fakten momentan nicht zu rechtfertigen ist!
Für Landwirte mit Direktvermarktung, kann diese Milch ein gut vermarktbares Nischenprodukt sein.

Vor allem die Akzeptanz der Gesellschaft war Thema bei der Hornloszucht, die bereits seit mehreren Jahren erfolgreich in diversen Zuchtprogrammen umgesetzt wird.

Genetische Besonderheiten, anders bezeichnet als „Erbfehler“, würden in der Zucht einen Rückschritt bedeuten. Denn wenn wir alle uns bekannten Erbfehler ausmerzen würden, würden wir einen Zuchtfortschritt von 8-9% verlieren und es gäbe keine Garantie, dass es nicht durch eine zufällige Mutation zu anderen, neuen, uns noch unbekannten Erbfehlern kommen könnte.

„Gene-Editing“ – Zukunftsmusik für unsere bäuerliche Zucht?

Den Code der Gene unserer Rinder können wir schon seit einiger Zeit ablesen. Der nächste Schritt, diesen gezielt zu verändern ist bereits machbar. Bei dieser Methode der Reproduktionstechnologie wird eine potenziell interessante Mutation über die Sequenzdaten des Gens gesucht, herausgeschnitten und bei einem anderen Tier gezielt an einer Stelle eingepflanzt. Viele sprechen von Gentechnik, andere sprechen von einer neuen Errungenschaft. Fakt ist, dass diese Technologie in der bäuerlichen Rinderzucht vor allem ethische Diskussionen auslöst und für unsere heimischen Landwirte vorerst undenkbar ist. Momentan ist Gene-Editing im Vergleich zu Embryotransfer (ET)10% ineffizienter.

Unterschied von Tier zu Tier: 0,1%

Jedes Tier hat 3 Milliarden Bausteine in der DNA, dennoch unterscheiden sich unsere Tiere nur durch 0,1% voneinander. Aus diesem Grund ist es wichtig, genau die Information dieser geringen Abweichung zu kennen und gezielt damit zu arbeiten. Ein Mittel für die Auswertung und Verarbeitung dieser Informationen ist die Genomik. Vor allem beim Einsatz eines genomischen Jungvererbers im Vergleich zum nachkommengeprüften Altstier kann der Zuchtfortschritt um 6 Jahre beschleunigt werden. Österreichweit sind bis dato 10.000 Typisierungen bei der Rasse Fleckvieh und 5.000 Typisierungen beim Braunvieh durchgeführt worden. Um die Sicherheiten zu erhöhen, die Kosten für die Bestandesergänzung von weiblichen Rindern zu reduzieren, Tiere gezielt anzupaaren und um dem betriebsspezifischen Zuchtziel schnell näher zu kommen, ist die Typisierung weiblicher Rinder unerlässlich. Im Projekt FoKUHs wird genau das umgesetzt. In der Projektlaufzeit von 5 Jahren ist die Genotypisierung von insgesamt 40.000 weiblichen Tieren der Rassen Fleckvieh, Braunvieh und Holstein Friesian geplant. Finanziert wird das Projekt mit nationalen Mitteln durch Kofinanzierung von Bund und Ländern im Rahmen der Sonderrichtlinie des BMLFUW zur Umsetzung von Projektmaßnahmen im Rahmen des Österreichischen Programms für ländliche Entwicklung 2014 - 2020.

Reproduktionstechnologien als Chance?

Im Bereich der Reproduktionstechnologien wird sehr viel geforscht. Während in anderen Ländern die In-vitro-Fertilisation – Befruchtung im Reagenzglas -  an der Tagesordnung steht, wird bei uns die In-vivo-Methode – am lebendigen Tier -  sehr erfolgreich umgesetzt.

In Österreich werden vor allem Tiere mit besonderen Eigenschaften zur Verbesserung der gesamten Population mittels Embryotransfer gespült, um so eine größere Anzahl an Nachkommen zu erhalten. Diese Methode wird über die Stimulation der Eierstöcke, einer sogenannten Superovulation, durchgeführt. Die gereiften Eier werden mit gezielt ausgewähltem Sperma besamt und am siebten Tag nach der Befruchtung aus den Gebärmutterhörnern ausgespült. Die Embryonen werden untersucht und wenn möglich sofort „frisch“ an geeignete Trägertiere verpflanzt.
Die Chance einer erfolgreichen Einnistung des Embryos im Trägertier liegt bei 50%.

Erfahrungen aus erster Hand berichtet

Der ehemalige Obmann der FIH-Jungzüchter, Hubert Schrems, stellte in Anschluss seinen Betrieb und seine Erfahrungen in Zusammenhang mit Embryotransfer (ET) vor. Der FV-Züchter bewirtschaftet insgesamt 61 ha landwirtschaftliche Nutzfläche und hält 65 Milchkühe, inklusive der gesamten Nachzucht. Sehr fortschrittlich denkend startete der Betrieb im August 2013 mit seinem ersten Embryotransfer. Bis dato wurden 21 Spülungen von höchst interessanten Tieren durchgeführt. Genaue Aufzeichnungen und Tierbeobachtungen sind laut Schrems unerlässlich für die Umsetzung eines erfolgreichen Embryotransfers. Seine Erfahrungen und die Ergebnisse der genomischen Zuchtwertschätzung bestätigen, dass in der Zucht 1+1 nicht immer zwei bedeutet. So haben bei ihm Vollgeschwister beispielsweise Unterschiede in den Zuchtwerten von bis zu 23 Punkten. Besonders interessant war auch die Kostenaufstellung eines ETs. Hierfür sind nicht nur die Kosten des Tierarztes und der Arzneien zu berücksichtigen. Auffällig ist vor allem, dass die Kühe während der Synchronisation sehr viel Energie benötigen und die Milchleistung dadurch sehr stark zurückgeht. Ein Erfolg, der auch Nebenwirkungen hat, denen sich jeder Landwirt vor einem ET bewusst sein muss. Embryonen zu verkaufen ist derzeit für Schrems keine Alternative, obwohl er sagt, dass es für ihn immer schwieriger wird, passende Trägertiere für die herausgespülten Embryonen zu finden. Das Risiko, dass der verkaufte Embryo höhere bzw. bessere Zuchtwerte haben könnte, als die Embryonen die er sich zurückbehält, will er nicht eingehen.
Zum Abschluss des Seminars fuhren die TeilnehmerInnen zum Betrieb von Hubert Schrems, um sich vor Ort ein Bild zu machen und das Programm praxisorientiert abzuschließen.