Jungzüchterprofi Ausbildung - Teil 4

Unter dem Motto „Wir packen unsere Koffer und nehmen mit…“ trafen sich 21 Jungzüchterprofis am Flughafen um nach Brüssel zu reisen.

Jungzüchterprofis auf EU-Erkundungstour

Europa fängt in der Gemeinde an

Die Europäische Union startete ihren Verbund aus 6 Ländern bereits im Jahr 1957. Österreich entschloss sich im Jahr 1995 dieser Gemeinschaft beizutreten, um mithilfe dieses Zusammenschlusses Ressourcen zu sparen und Vorteile im Warenhandel zu erzielen. Die EU teilt sich in drei Hauptorganisationen: Die EU-Kommission ist die Hüterin der Verträge, im EU-Parlament werden die Gesetzesvorschläge nach Rücksprache mit den Ländern bearbeitet und der EU-Rat wird als Ministerrat bezeichnet. Alle 28 Kommissare treffen sich wöchentlich zur Besprechung der aktuellen Themen. Hierbei ist es wichtig zu wissen, dass die Kommission als Kollegium handelt und nur als Gesamtes handlungsfähig ist, d.h. im Falle eines Rücktrittes müssen alle Kommissare zurücktreten.

Insgesamt sind in Brüssel 30.000 Beamte beschäftigt. Im Vergleich dazu, hat die Stadt Wien alleine 84.000 Angestellte, wovon ca. 34.000 Verwaltungsbeamte sind.

Für die österreichische Landwirtschaft war der Betritt zur EU ein einschneidender Moment, da ab diesen Zeitpunkt die Agrarpolitik vergemeinschaftet wurde. Insgesamt sind in den Gremien zur Entscheidungsfindung der agrarischen Weiterentwicklung 60 Bauernverbände, 30 Genossenschaften und elf Millionen Landwirte involviert. Österreich wird durch die ständigen Vertreter der Bundesorganisationen, wie LKÖ und BMLFUW, vertreten.
Das Agrarbudget aus dem Gesamthaushalt liegt im Jahr 2017 bei einem Prozentsatz von 37% und 59 Milliarden Euro.

Bei den Gesprächen mit den österreichischen Vertretern in Brüssel konnten die Jungzüchterprofis auch mit den Beteiligten über die neue GAP ab 2021 diskutieren. Die Herausforderungen der Zukunft brachte Herbert Dorfmann, Mitglied des Europäischen Parlaments, auf den Punkt und fasste diese in drei Punkten zusammen: Migration, Terrorismus, wirtschaftliche und soziale Ungleichheiten. Einen genauen Fahrplan zur Agrarpolitik kann man aus heutiger Sicht nicht geben, so Dorfmann, da zuerst die Brexit Verhandlungen abgeschlossen werden müssen. Danach kann über das verfügbare Agrarbudget verhandelt werden.

Touristische Highlights wurden ebenfalls erkundet

Die Stadt Brüssel wurde im Jahr 966 erstmals urkundlich erwähnt und zählt ca. 180.000 Einwohner. Brüssel kann aufgrund ihrer Sprachenvielfalt als Weltstadt bezeichnet werden. Die Sprachen gliedern sich in Französische, Flämisch (Niederländisch) und Deutsch.
Das Wahrzeichen der Stadt ist eine kleine Bronzestatue mit 61 cm, welche sehr umstritten ist und als Menneken Pis bezeichnet wird. Als weiteres Wahrzeichen besichtigten die Jungzüchterprofis das imposante Atomium mit einer Gesamthöhe von 102m. Aufgrund der Weltausstellung im Jahre 1958 wurde das Wahrzeichen errichtet. Das Atomium wurde als Symbol für das Atomzeitalter und die friedliche Nutzung der Kernenergie gebaut.

Belgische Landwirtschaft sehr konträr zur Österreichischen

Der Belgische Bauernbund, welcher mit unserem Kammersystem vergleichbar ist lud die Jungzüchter in ihre Hallen ein und präsentiert die landwirtschaftlichen Systeme in Belgien. Grundsätzlich wird das Land in zwei Gebiete, je nach Intensität der Bewirtschaftung geteilt. So gibt es Gebiete, in denen die Landwirtschaft extrem intensiv betrieben wird und die Landwirte einen Nachweis über die Ausbringung des anfallenden Mistes liefern müssen. In den meisten Gebieten müssen hierfür Verträge zur Abnahme gemacht werden. Die Milchproduzenten verwenden für die Gülleverträge ca. 3 Cent des Auszahlungspreises der Milch.
Da das Land relativ hohe Phosphat- und Nitratwerte im Boden hat, müssen die Landwirte für die Haltung von Rindern Rechte kaufen. Ein Recht auf die Haltung von einer Kuh kostet je nach Region zwischen 650€ und 850€ inklusive der Nachtzucht dieses Rindes. Somit kann die Regierung den Viehbestand einfach regeln, denn wer keine Rechte hat darf auch keinen Stall bauen. Die Jungzüchterprofis erhielten detaillierte Informationen aus erster Hand die vor allem die Unterschiede im Vergleich zur österreichischen Rinderwirtschaft aufzeigten. Nach dem theoretischen Input brachen die Teilnehmer zum ersten Betrieb, einem Holsteinzuchtbetrieb, auf um sich selbst ein Bild zu machen.

Holsteinzucht auf höchstem Niveau

Den Hauptrassenanteil im Bereich der Milchviehhaltung hat die Rasse Holstein Friesian. Der besichtigte Betrieb hat seinen Stall aufgrund der Kuhrechte im Jahr 2013 für 220 Kühe und 175 Stück Nachzucht, welche teilweise ausgelagert ist, gebaut. Die Baukosten pro Stallplatz lagen bei ca. 6.500€.Wichtig war den jungen Brüdern, dass die Arbeitswege möglichst kurz sind und der Kuhkomfort oberste Priorität hat. Insgesamt werden 50 ha landwirtschaftliche Nutzfläche bewirtschaftet. Die gesamte Außenmechanisierung ist an einen Lohnunternehmer vergeben.

Die Herde wird in zwei Leistungsgruppen mit special needs Bereich geteilt. Gemolken wird in einen 2x18 Side by Side Melkstand. Besonders erwähnenswert sind die Managementkennzahlen, welche über die Organisation CRV überwacht wird. Die Serviceperiode beträgt 70 Tage mit einer Zwischenkalbezeit von 394 Tagen. Das Erstkalbealter liegt bei 24,6 Monaten. Das gesamte Anpaarungsmanagement erfolgt mit Hilfe von CRV. So werden bei den Kalbinnen hauptsächlich Embryonen eingesetzt und die Besamung erfolgt gesext mit Holstein Bullen. Kühe, mit denen nicht mehr weitergezüchtet wird, werden mit Weißblauen Belgier besamt. Gleichzeitig werden alle Kälber genomisch untersucht. Die Kosten einer Untersuchung belaufen sich auf 26,90€.

Besonders hervorzuheben ist, dass der Betrieb neben den Gesundheitsmerkmalen ein besonderes Augenmerk auf Exterieur legt. Der Durchschnitt der Herde ist beim Exterieurmerkmal Euter mit 81,9 Punkten und beim Merkmal Fundament mit 81,2 Punkten eingestuft.

Die Futtervorlage erfolgt einmal täglich. Die Ration setzt sich aus Mais- und Grassilage, silierte Zuckerrübenschnitzel, silierter Getreideschlempe sowie Eiweißkonzentrat und einem Gemisch aus Gersten- und Körnermaisschrot zusammen.

Weißblaue Belgier – die Traditionsrasse mit hoher Kosten- Nutzeneffizienz

Die Züchtung der speziellen Rasse Weißblaue Belgier ist in Österreich nicht erlaubt, aus diesem Grund war es sehr lehrreich einen solchen Betrieb zu besichtigen. Insgesamt wurden auf dem Hof ca. 500 Stück Vieh gehalten. Pro Jahr kalben ca. 200 Kühe. Die Problematik dieser Rasse liegt vor allem beim Kalbeverlauf. Aufgrund einer Mutation sind alle Muskelpartien, bis auf die Innerein, doppelt vorhanden. Somit ist eine natürliche Geburt fast unmöglich. Der Betrieb hat eine Kaiserschnittrate bei 99,5% und liegt damit im Landesschnitt. Gerade rund um den Geburtszeitraum sind die Landwirte sehr gefordert, da ihnen der Temperaturverlauf der Kuh Aussage über den Beginn gibt.

90% der Tiere auf dem Betrieb werden künstlich besamt, nur ein Jersey Stier darf zu Erkennung der brünstigen Tiere in der Herde mitlaufen. Die Kälber werden nach der Geburt mit Kolostrum versorgt und von der Mutter getrennt. Die weiblichen Tiere werden zur Weiterzucht verwendet, während die männlichen Tiere gemästet werden. Von Mai bis Oktober dürfen alle Rinder auf die Weide, um zusätzlich neben der Ration aus Mais-, Grassilage und Zuckerrübe auch Gras fressen zu können.

Für die Teilnehmer war die Reise sehr lehrreich und interessant, somit ein gelungener Abschluss des Bildungsprojektes „Jungzüchterprofi“.